Unzählige Feuer erleuchten die Nacht. Wie mystische Wolken schwebt die Asche über den Ganges, an dessen Ufern sich Hunderte Tempel und Ashrams aneinanderreihen. Überall in der Stadt herrscht ein trubeliges, fast hektisches Treiben. Voller Würde und behäbiger Eleganz streifen Kühe durch die engen, verschlungenen Gassen.
Ein Rausch der Farben aus Kaminrot, Safrangelb, Bambusgrün und Himmelblau erfüllt die Ghats, auf ihnen ein Meer aus in traditionellen Gewändern gekleideten Menschen und Sadhus. Sie flanieren, beten und meditieren – hier, an diesem Fleckchen Erde im nordindischen Uttar Pradesh treffen Fluss und Mensch aufeinander und gehen eine auf dieser Welt einzigartige Verbindung ein. Eine Verbindung für die Ewigkeit.
Es gibt wenig Orte auf diesem Planeten, die so viel Magie, Lebendigkeit und Spiritualität ausstrahlen wie Varanasi. Am besten lässt sich der erste Eindruck der Stadt als aufregend und geheimnisvoll, zugleich aber auch ein wenig befremdlich und ungewöhnlich, beschreiben. Wie viele andere heiligen Städte des Hinduismus schmiegt sich auch Varanasi – oftmals auch als Benares oder Kashi bezeichnet– an den Ganges-Fluss und doch ist sie speziell, denn als Stadt des Shiva zählt sie zu den sieben wichtigsten Pilgerorten der Hindus.
Varanasi ist eine der ältesten Städte überhaupt. Der Überlieferung nach um 1.200 vor Christi von Kashya, dem Sohn König Suhotras, gegründet, sah sie Babylon vergehen und erlebte die „ersten Spatenstiche“ Jerusalems, Roms und Athens. Im 12. Jahrhundert nach Christi eroberte Qutb-ud-Din Aibak, der spätere Vater des Sultanats von Delhi, die Stadt, die fortan unter der Herrschaft der Mogulen stand.
Das änderte sich erst rund 500 Jahre später mit dem zunehmenden Einfluss der Britischen Ostindien-Kompanie und letztendlich der Übernahme durch die europäischen Kolonialherren. Doch weder den islamischen noch den britischen Machthabern gelang es, die Hindus aus Varanasi zu verdrängen. Ihr Glauben sollte die Jahrhunderte überdauern und bis zum heutigen Tage die Stadt prägen.
Im Laufe seiner wechselvollen Geschichte trug Varanasi verschiedene Namen. Varanasi fand bereits vor mehr als 2.000 Jahren im Hindu-Epos Mahabharata sowie in den buddhistischen Jataka-Erzählungen Erwähnung. Noch älter ist der Name Kashi, der sich vom gleichnamigen Stammeskönigreich ableitet, dessen Hauptstadt Varanasi später war. Kashi bedeutet auf Sanskrit in etwa so viel wie „Stadt des Lichts“.
Während der Herrschaft der Mogulen und Briten hieß der Ort über Jahrhunderte hinweg Benares. Doch nach der Unabhängigkeit Indiens wurde die Stadt in Rückbesinnung auf alte Hindu-Traditionen wieder in Varanasi umbenannt – in der Umgangssprache ist der Name Benares aber auch heute noch geläufig.
Der Ganges bildet seit jeher die spirituelle Lebensader Indiens. In Varanasi schlägt ihr Puls so intensiv wie nirgendwo anders. Auf Höhe Varanasis macht der Fluss eine halbmondförmige Biegung und fließt nach Nordosten, sodass die Stadt auf dem Hochufer vor den alljährlichen Fluten geschützt ist. Es heißt, das Wasser des Ganges solle ein Elixier der Unsterblichkeit enthalten und der Heilung von Krankheiten dienlich sein.
Ganga Mata – die Mutter Ganges – besitzt für die Hindus eine ganz besondere religiöse Strahlkraft. Sie ist das heiligste aller Gewässer und ein Bad in ihren Fluten gilt als spirituelle Reinigung von allen Sünden. Sie soll das Karma reinwaschen und ist ein Ritual, welches Tag für Tag etliche fromme Hindus zu den Ghats, den steinernen Treppen an den Ufern des Ganges, zieht. Insgesamt 84 solcher Ghats gibt es in Varanasi.
Die Ghats ziehen die Menschen – nicht nur aus religiösen Gründen – in ihren Bann und gelten sowohl als spirituelle als auch touristische Visitenkarte Varanasis. Über vier Kilometer reihen sich die weitläufigen Treppen, die von den Häuserzeilen und Tempelanlagen hinunter zum Fluss führen, aneinander. Vor allem im Licht der auf- und untergehenden Sonne bieten sie einen wunderbaren Anblick, der die Stadt – beispielsweise im Rahmen einer morgendlichen Bootsfahrt – in zeitlosem Glanz erstrahlen lässt.
An den Ghats pulsiert das Leben – während die Pilger in einem Meer von Öllämpchen, Räucherstäbchen und Blumenschmuck ihre Waschungen vornehmen, bahnen sich Teehändler ihren Weg durch die Menge und bieten ihre Getränke feil, Barbiere scheren Gläubigen die Köpfe und Priester rezitieren aus uralten religiösen Schriften. Ein spektakuläres, inspirierendes Schauspiel, das auch Nicht-Hindus mit einer Erfahrung für die Ewigkeit beglückt.
Der US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain schrieb einmal: „Benaras ist älter als die Geschichte, älter als die Tradition, älter selbst als die Legende und sieht zweimal so alt aus wie all diese Dinge zusammengenommen“. Varanasi ist eine der ältesten durchgängig bewohnten Städte der Welt und Zentrum des Shiva-Kults. Der Hindu-Mythologie nach ist sie die Stadt des Gottes Shiva und hier ist er Gläubigen am intensivsten erfahrbar.
Seit über 2.000 Jahren ist Varanasi der heiligste Pilgerort für fromme Hindus – und oftmals auch die alles erlösende Endstation ihrer letzten großen Reise. Sterben in Varanasi, das ist für rund eine Milliarde Hindus das Ziel. Der lange, erschöpfende Weg von Geburt, Tod und Auferstehung findet hier sein irdisches Ende. Wer in Varanasi stirbt und eingeäschert wird, so heißt es, entgeht dem Kreislauf der Wiedergeburt und erreicht das Moksha.
Das erlösende Moksha ist im Hinduismus die Befreiung von allen Materialien – ein beständiger, unvergänglicher sowie erhabener und erstrebenswerter Zustand, vergleichbar mit dem Nirwana. An den Verbrennungs-Ghats werden die Verstorbenen den Flammen übergeben. Zwei der größten von ihnen sind das Assi-Ghat und das Manikarnika-Ghat. Die Feuer brennen Tag und Nacht.
Auch ein wenig abseits des Ganges-Flusses gibt es Heiligtümer, welche eine hohe Anziehungskraft ausstrahlen. So wie der Kashi-Vishwanath-Tempel, dessen Domkuppel mit Gold überzogen ist. Das Lord Shiva geweihte Bauwerk im Herzen der Stadt stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist ein fester Bestandteil in der religiösen Gedankenwelt der Hindus. Der Tempel beheimatet einen von zwölf Jyotirlingas in ganz Indien. Dieser soll hier einst als erste Lichtsäule Shivas durch die Erde gedrungen sein und seine Überlegenheit manifestiert haben.
Eine weitere bedeutsame Stätte in Varanasi ist der eindrucksvolle Durga-Tempel, welcher eine hohe Bedeutung für die Hindus und insbesondere die Anhänger der Muttergöttin Durga hat. Noch relativ jung, aber nicht minder faszinierend ist derweil der Bharat-Mata-Tempel. Er wurde 1936 von Mahatma Gandhi eingeweiht und ist der Göttin „Mutter Indien“ gewidmet, der indischen Nationalallegorie.
Ein unvergessliches Erlebnis, das einem in Varanasi auf keinen Fall entgehen sollte, ist der Besuch der Ganga-Aarti-Zeremonie. Allabendlich findet am Dashashwamedh-Ghat eine aufregende Zeremonie statt, bei der Priester mit großen Feuerfackeln den Ganges verehren. Pilger legen währenddessen Lichter in Blumenschiffchen in den Fluss, die Gesänge von Mantras sowie Gebeten erklingen und duftender Rauch von Räucherstäbchen steigt auf.
Varanasi ist ebenfalls für seine filigranen Seidenarbeiten angesehen. Die Tradition dieser Handwerkskunst ist fast so alt wie die Stadt selbst und deren Qualität auf der ganzen Welt berühmt. 13 Kilometer nördlich befindet sich außerdem mit Sarnath eine der vier bedeutendsten buddhistischen Pilgerstätten. Dort lehrte Buddha nach seiner Erleuchtung das Dharma. Neben mehreren buddhistischen Tempeln, einigen Klosterruinen und zwei antiken Stupas lassen sich bei einem Ausflug von Varanasi aus in Sarnath auch neuzeitliche Tempel besichtigen.
Varanasi entdecken, das heißt auch sich zu entdecken. Wer sich der Stadt auf einer Nordindien Reise öffnet, dem bieten sich atemberaubende Erfahrungen voller Mythen, Mantras und spiritueller Erlebnisse. Varanasi lässt sich am besten mit dem Flugzeug innerhalb weniger Stunden unter anderem von Delhi, Khajuraho, Udaipur, Jaipur oder Mumbai erreichen. Um die schönsten Attraktionen von Varanasi zu entdecken, sollten optimalerweise mindestens 2 Nächte eingeplant werden.
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